21. Januar 2025

Symposiumsbericht „Discourses of Justice. Indicators of Crises?“ Symposiumsbericht „Discourses of Justice. Indicators of Crises?“

Organisiert und durchgeführt von der Émile-Durkheim-Forschungsstelle 9. bis 10. Januar 2025 in Bonn (Online/Präsenz)

Eingang
Eingang © Thorsten Gerwin
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 Einleitung: Zur Krise der Gerechtigkeit

Gegenwärtige Krisen scheinen nahezu jeden Aspekt der menschlichen Existenz und alle Sphären der Spätmoderne zu betreffen. Klimawandel, Krieg, das Erstarken autoritärer illiberaler Demokratien, Wirtschaftskrise, Spätfolgen der Corona-Pandemie und Brexit sind nur einige Schlagwörter, die diese gesellschaftliche Entwicklung zeichnen. Die Émile-Durkheim Forschungsstelle: Krisenanalyse nimmt sich dieser zentralen Frage der postglobalen Zeit an und legt seinen Schwerpunkt auf die vergleichend-historische Analyse von Poly- und Metakrisen. Dabei gilt es sowohl die Eigenlogik/Eigenrationalität der einzelnen Krisensphären als auch deren Verflechtung zu analysieren – mit dem Ziel, das erzeugte Wissen anderen gesellschaftlichen Akteur:innen zur Verfügung zu stellen und mit ihnen in einen Dialog zu treten.

Eng verknüpft mit der Krisensemantik ist die Grundnorm der Gerechtigkeit.  Die omnipräsente Verbreitung des Gerechtigkeitsvokabulars scheint sowohl Ausdruck als auch Vorbote der Sphärenkrisen zu sein. In weiten Teilen unserer Welt werden Krisen als Ressentiment, Widerstand oder Wut über Lebensbedingungen zunehmend als Fragen der Ungerechtigkeit wahrgenommen, die auch als Ausdruck der von Pierre Bourdieu so genannten „Misère du Monde“ zu verstehen sind. Im Spiegel dieser Zeitdiagnostik wird nichts weniger als die Gretchenfrage gestellt: Wie möchten wir Zusammenleben? Und damit einhergehend: Wer sind wir? Wo kommen wir her? Und nicht zuletzt, wo möchten wir hingehen? Somit berühren die Debatten tiefgehende Strukturen und Dynamiken spätmoderner Vergesellschaftung und zeugen von einer „Krise der Gerechtigkeit“.

Programm, oder: „Wie ist eine gerechte Gesellschaft möglich?“

Vor diesem Hintergrund organisierte die Émile-Durkheim-Forschungsstelle ein Symposium mit dem Titel „Discourses of Justice. Indicators of Crises?“, an dem renommierte internationale Gäste aus unterschiedlichen Disziplinen teilnahmen.

In seinem Grußwort stellte der Rektor der Universität Bonn, Michael Hoch, die aktuelle Relevanz der Krisenthematik für Gesellschaft und Forschung heraus. Seit er die Émile-Durkheim-Forschungsstelle im Jahr 2024 als weiteres Wissensformat der Exzellenzuniversität auf den Weg gebracht hat, hat sich die Weltgesellschaft stärker verändert, als ursprünglich gedacht. Die alte Weltordnung strukturiert sich hin zu einer multipolaren Weltordnung, neue Imperien entstehen und stehen in offenem Konflikt zueinander. Begleitet werden diese Krisenszenarien von einer (gefühlten) Zunahme sozialer Ungleichheit und sozialen Spannungen. Vor diesem Hintergrund bewege sich die Wissenschaft in einem Safer Space und es gelte, die Wissenschaftsfreiheit zu wahren, das erzeugte Krisen-Wissen an die Wissenschafts-Communities, einschließlich der Studierenden, weiterzugeben sowie einen Transfer in die Gesellschaft zu leisten.

Ausgehend von der Krisenthematik schlug der Rektor eine Brücke zum Konferenzthema der Gerechtigkeit, das ihm als Entwicklungsbiologen besonders am Herzen liege. Sowohl in seinem Redebeitrag als auch in der anschließenden Diskussion stellte er heraus, dass es in Teilen der Tierwelt entgegen alter Annahmen ein Gerechtigkeitsempfinden gebe, das vor allem bei einigen Säugetieren nachgewiesen sei. Dies weist wiederum auf die Evolution von Gerechtigkeitsempfindungen hin, also auf eine emotive Dimension, und ist ein Plädoyer für eine Intensivierung des Austauschs zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft – einen interdisziplinären Dialog, den die Forschungsstelle insbesondere im Zusammenhang mit ihren Jahresthemen, der Klima- und der pandemischen Krise, fördert.


Soziologische und philosophische Grundlegung

In seinem Eröffnungsvortrag präsentierte Werner Gephart, der die Forschungsstelle leitet, einen soziologischen Diskurs über „Gerechtigkeit“ und wies darauf hin, dass die soziale Frage der Gerechtigkeit, gemäß der soziologischen Perspektive, untrennbar mit der Frage nach sozialer Ordnung verbunden ist. Angesichts der multiparadigmatischen Verfasstheit der Soziologie falle die Antwort unterschiedlich aus. Ausgehend von Durkheims Studie zur Arbeitsteilung betrachtet er eine umfassende, alles Soziale und Individuelle einbeziehende Gerechtigkeitsidee als offensichtliche Illusion, vielmehr identifiziert er im Sinne von Luc Boltanski diverse Cités der Gerechtigkeit.

Um die „Cités der Gerechtigkeit“ in ihrer Vielschichtigkeit zu analysieren, greift er auf das „Law as Culture“-Paradigma zurück und entwickelt ein Konzept, das speziell auf die Analyse von „Gerechtigkeitskulturen“ ausgerichtet ist. Sein Vorschlag ist, die Beobachtung von „Gerechtigkeitskulturen“ (1.) multidimensional anzulegen und normative, symbolische, organisatorische sowie rituelle Aspekte einzubeziehen; (2.) die Bedeutung religiöser Geltungsgründe offenzulegen; (3.) einen globalisierungstheoretischen Zugriff zu ermöglichen und dabei universalistische sowie partikularistische Gerechtigkeitsnormen in ihrer Verschachtelung zu analysieren; (4.) die Dynamik von Konflikten zu berücksichtigen; (5.) der Rolle der Ästhetik besondere Aufmerksamkeit zu schenken; und (6.) die Kontingenz von Gerechtigkeitskulturen einfließen zu lassen, die besonders in Krisenzeiten offen zutage tritt.

Philosophische Grundlagen zur Analyse von Gerechtigkeitskulturen liefert Manuel Knoll, der in seiner Genealogie verschiedene Gerechtigkeitszugriffe durchspielt und diese anhand ausgewählter Krisenphänomene aus Vergangenheit und Gegenwart veranschaulicht. Dabei reicht die Spannweite von egalitärer und sozialer Gerechtigkeit über Leistungsgerechtigkeit und Verfahrensgerechtigkeit bis hin zu universaler und partikularer Gerechtigkeit. Im Gegensatz zu Aristoteles und Rawls, deren Theorien der distributiven Gerechtigkeit sich auf eine begrenzte Menge an Gütern konzentrieren, erweitert Michael Walzer die Perspektive durch einen pluralistischeren Ansatz. In der Diskussion tritt wiederum hervor, dass Walzers pluralistischer Ansatz besonders geeignet ist, Gerechtigkeitskulturen (im Sinne von Werner Gephart) in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen und mit Krisenkontexten in Beziehung zu setzen.


Kampf um Gerechtigkeit in Literatur und Recht 

Während Werner Gephart und Manuel Knoll die soziologischen bzw. philosophischen Grundlagen zur Analyse von Gerechtigkeit bieten, richtet die Trägerin des Humboldt-Forschungspreis, Gisèle Sapiro, ihren Fokus auf die Analyse des literarischen Feldes als Medium der Gerechtigkeit. Die Geburt des Intellektuellen ist aus dem Kampf um Gerechtigkeit hervorgegangen und hat einen Prozess der sozialen Schließung angestoßen, aus dem die Literatur als ein relational autonomes soziales Feld hervorgegangen ist, so die These von Gisèle Sapiro. Am Beispiel von Voltaire, Victor Hugo, Zola und André Gide zeigt sie, wie die Intellektuellen in Krisen intervenierten, ihre Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit öffentlichkeitswirksam vermittelten und somit zur gesellschaftlichen Geltungsmacht sowie zum Autonomisierungsprozess des literarischen Feldes beitrugen. Was bleibt jedoch vom Werk, wenn sich die Autorenschaft politisch und moralisch ins gesellschaftliche Abseits gestellt hat? Ist das literarische Werk von der Autorenschaft zu trennen? Diese Frage geht sie abschließend am Beispiel des umstrittenen Nobelpreisträgers Peter Handke und seinem Gerechtigkeitskampf für Serbien nach und zeigt Wege zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Diskurs über Werk und Autorenschaft auf.

Wie Krisen der Gerechtigkeit in Übergangs- und Nachkonfliktkontexten gesellschaftlich bearbeitet werden können, zeigte Rosario Figari Layus mithilfe des Konzepts der Versöhnung auf. Anhand einer Genealogie von Gerechtigkeitsmodellen der Reconciliation demonstriert sie, dass Versöhnung in den 1980er Jahren vor allem als Restorative Justice (z. B. Wahrheitskommissionen, Amnestien) im Fokus stand, in den 2000er Jahren als Retributive Justice (Prozesse), in den 2000er bis 2010er Jahren als Transformative Justice (soziale Gerechtigkeit). Seit den 2020er Jahren tritt unter diesem Konzept die Vorstellung einer Environmental Justice (Anerkennung und Schutz der Natur) hervor.  Aktuelle Herausforderungen für die Versöhnungsforschung bestehen vor allem im Zusammenhang zwischen Versöhnungsprozessen und sozialen Ungleichheiten. Dies erfordert eine intensivere Erforschung intersektionaler Perspektiven, die den Nexus von Rasse, Klasse und Geschlecht berücksichtigen, und die insbesondere im Hinblick auf Klimakrisen sowohl an analytischer als auch an praktischer Bedeutung gewinnen.

Kann ein Krieg gerecht sein und welche Rolle das internationale Recht bei der Definition von Gerechtigkeit spielt, stellte Matthias Herdegen in den Fokus seines Vortrags. Dabei zeigte er, dass durch Krieg verursachte bzw. ausgelöste kollektive Traumata schwer in allgemein anerkannte Rechtsbeziehungen zu übersetzen sind und damit einen erfolgreichen Versöhnungsprozess erschweren Das weite Spektrum subjektiver Wahrnehmungen von „Gerechtigkeit“ führt dabei oft zu unterschiedlichen Interpretationen, insbesondere in komplexen internationalen Konflikten, so Herdegen. Ein Beispiel hierfür sind die parallel erteilten Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister und den ermordeten Führer des Hamas-Terrorismus, die die kontrastierenden Ansichten über Gerechtigkeit und Verantwortung im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts verdeutlichen. Zugleich verdeutlichte er anhand mehrerer Beispiele die Konflikthaftigkeit zwischen internationaler Rechtsprechung und Nationalstaatlichkeit, wobei die nationalstaatliche Souveränität eine mächtige Barriere für die Herstellung von Gerechtigkeit im bzw. nach dem Krieg darstellt. Dabei hob er hervor, dass das Völkerrecht im Zuge der Neuordnung der Weltpolitik in den letzten Jahren stark unter Druck geraten ist und sukzessive an Geltungskraft verliert, wodurch die Möglichkeit einer gerechteren Kriegsordnung zunehmend verloren geht.


Zur Krise der liberalen Demokratie 

Wie eine erfolgreiche Versöhnung nach dem Krieg gelingen kann, zeigt der deutsch-französische Versöhnungsprozess. Zugleich ist 60 Jahre nach Beginn des Prozesses in beiden Staaten ein Erstarken der Neuen Rechten zu beobachten, die die europäische Nachkriegsordnung zu bedrohen scheinen, wobei die AfD und das Rassemblement National die parteipolitische Speerspitze dieser Bewegung bilden. Inwiefern diese Strömung die liberale Demokratie in Deutschland und Frankreich in eine politische Krise stürzt und mit welchen Gerechtigkeitsvorstellungen sie dabei operiert, darüber berichteten Patrick Bahners und Jan Christoph Suntrup

Bahners, einer der führenden Feuilletonisten Deutschlands, verdeutlichte, wie die AfD seit ihrer Gründung im Jahr 2013 eine schrittweise Verschiebung des demokratischen Gerechtigkeitsdiskurses vorantreibt und gleichzeitig versucht, die liberale Demokratie mit demokratischen Mitteln zu untergraben. Eine zentrale Strategie dieser Gegenbewegung liegt in der scharfen Kritik an der aktuellen Migrationspolitik. Dabei wird die Mehrdeutigkeit des Grundgesetzes gezielt genutzt, um das Grundrecht auf Sicherheit für das „deutsche Volk“ gegenüber dem Recht auf Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit von migrantischen Personen höherzustellen. Diese Strategie ist eng verbunden mit dem Narrativ, dass migrantische Personen eine Bedrohung für den Sozialstaat darstellten, da sie angeblich parasitär von den ökonomischen Erträgen der einheimischen Bevölkerung leben würden – gerade im Nexus zwischen Migration und Sozialer Wohlfahrt liegt ein Grund für die Erfolge der AFD, wobei ähnliche Strategien auch in Frankreich zu beobachten sind. 

Die konflikthafte Spannung zwischen partikularistischen und universalistischen Gerechtigkeitsvorstellungen wird auch von Suntrup herausgearbeitet. In einem historischen Überblick arbeitete er heraus, wie sich seit der Parteiübernahme durch Marine Le Pen eine Neustrukturierung von Gerechtigkeitsnarrativen vollzogen hat. Um politische Erfolge zu erzielen, stellte sich zunächst die Frage, wie sich Wählerschaften aus unterschiedlichen politischen Lagern gewinnen ließen, ohne das rechte Stammpersonal zu verlieren. Dafür führte sie das Narrativ des gesunden Menschenverstandes als ein Prinzip der Mitte und der Ausgewogenheit, wie er von der „normalen“ Bevölkerung praktiziert wird. Dabei richtet sich das Narrativ gegen die „Raubtiere von oben“, die Globalisten, und die „Raubtiere von unten“, die Delinquenten und Kriminellen. Der gesunde Menschenverstand wird vom Rassemblement National als alternative Geltungsquelle von Gerechtigkeit konstruiert und letztlich als Ideologiekritik gegenüber den hegemonialen liberalen Gerechtigkeitsvorstellungen in Stellung gebracht.

Welche schwerwiegenden, teils tödlichen Folgen partikularistisch ausgerichtete Gerechtigkeitsvorstellungen und nationalstaatliche Identitätspolitiken haben können, veranschaulichen Daisy Chioma Onyige und Jure Leko am Beispiel der Migration. Während Onyge die Vulnerabilität von Frauen im Nexus von Gender, Gerechtigkeit und Migration analysierte, richtete Leko den Fokus auf die Kämpfe um die Anerkennung von Roma und die Rolle der Menschenrechte. In den Vorträgen wird deutlich, dass bereits vor dem Aufstieg autoritärer Kräfte sich die große Erzählung der liberalen Demokratie in einer Krise befand. Die Tausenden von Toten aus afrikanischen Staaten im Mittelmeer und die restriktive Grenzpolitik gegenüber geflüchteten Roma aus den Westbalkanstaaten sind ein erschütterndes Zeugnis der Krise des liberalen Moralismus und ihrer Gerechtigkeitskultur. Aus sozialtheoretischer Perspektive greift es dabei zu kurz, von einer Migrationskrise zu sprechen, wie es in Politik und Medien häufig heißt.  Vielmehr weist der Umgang mit Geflüchteten auf die Grenzen des internationalen Rechts und der Menschenrechte hin und kann somit als eine Krise moderner Staatlichkeit in postglobalen Zeiten verstanden werden.


Vom Rechtspluralismus zur Beziehung von Gerechtigkeitskultur und Religion

Inwiefern die Entstehung irregulärer, staatlich nicht anerkannter Ordnungen Ausdruck einer Krise der demokratischen Nationalstaatlichkeit ist, beleuchtete Diana Villegas mithilfe des Konzepts des Rechtspluralismus. Anhand mafiöser Akteur:innen in Kolumbien verdeutlichte sie, wie diese – im Namen der Gerechtigkeit – eine Rekonfiguration von Raum und Macht vorantrieben, indem sie eine mafiöse Ordnung mit eigener Rechtsordnung etablierten. Darauf aufbauend demonstrierte Villegas, wie legalisierte und illegalisierte Strukturen zunehmend miteinander verflochten wurden, sodass in vielen Fällen eine klare Abgrenzung zwischen Legalität und Illegalität schwerfällt. Die rechtliche Ambiguität beschränkt sich keineswegs auf lateinamerikanische Staaten; im Vortrag wie auch in der Diskussion trat heraus, dass auch in zahlreichen Rechtskonstellationen Europas und Nordamerikas dieses Phänomen zu beobachten ist.

Auch Ryszard Bobrowicz rückt in seinem Vortrag nicht-staatliche Ordnungen, deren Recht und deren gesellschaftliche Wirkung in den Fokus. Am Beispiel der römisch-katholischen Kirche untersuchte er den Diskurs über Dissens in Krisenzeiten und arbeitete heraus, inwiefern bei Konfliktlösungen die Konzepte „epistemische Gerechtigkeit“ und „ontologische Ungerechtigkeit“ wirken und welche Rolle das Konzept der Synodalität spielt. Darauf aufbauend analysierte er die gesellschaftliche Wirkung von Religion in Europa und zeigt anhand mehrerer Beispiele, wie religiöse Normen die politischen Debatten über Säkularität prägen, in staatliche Strukturen übersetzt werden und so ihre jeweilige Funktionalität erhalten.

Die Beziehung zwischen Gerechtigkeitskultur und Religion wird auch von Raja Sakrani in ihrem eindrucksvollen Vortrag aufgegriffen. Am Beispiel des Islams zeigte sie auf, welchen Einfluss die Vielfalt der Rechtsschulen, die auch als ‚Gerechtigkeitsschulen‘ angesehen werden können, auf gesellschaftliche Ordnungsprozesse hat und wie sich diese Vorstellungen von Gerechtigkeit in der Ästhetik (Architektur, Kunst) manifestieren. Sie verdeutlichte, inwiefern der politische Islam durch eine Gleichsetzung von religiösem Gehorsam und der Schaffung gerechter, innerweltlicher Verhältnisse gekennzeichnet ist. Dieses Verhältnis wurde im Kontext des Arabischen Frühlings auch unter Bezugnahme auf ‚alternative‘ Auslegungen religiöser Dogmen aufgebrochen, sodass eine Erneuerung des Versprechens auf Gerechtigkeit angestoßen wurde, deren Einlösung angesichts des Scheiterns der Revolution jedoch weitestgehend ausgeblieben ist.

 Resümee

Auch wenn das Thema der „Gerechtigkeit“ auf den ersten Blick altmodisch erscheinen mag, zeugen die aktuellen gesellschaftlichen Krisenentwicklungen von seiner ungebrochenen Aktualität. Die vielfältigen Perspektiven, die auf dem Symposium präsentiert wurden, unterstrichen dies mit deutlicher Vehemenz. Gerade in den gegenwärtigen Krisenzeiten bedarf es einer neuen übergeordneten „Großerzählung“ oder vielleicht einer erneuerten Utopie der Gerechtigkeit, um zu gerechteren Gesellschaftsordnungen beizutragen. Die Vorträge eröffneten einen facettenreichen Blick auf die Krise der Gerechtigkeit und regen dazu an, die Wirkmächtigkeit der Semantik in einem interdisziplinären und internationalen Dialog weiter zu vertiefen.

Tagungsablauf
© Thorsten Gerwin
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